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Positionspapier der Arbeitsgemeinschaft der Landjugendverbände Rheinland-Pfalz zur „Agrarischen Fachbildung“ Januar 2015

 

1.  Zukunfts- und Wettbewerbsfaktor Fachbildung in der Agrarwirtschaft

Die agrarische Fachbildung stellt für die Arbeitsgemeinschaft der Landjugendverbände Rheinland-Pfalz (nachfolgend Landjugend genannt) ein äußerst wichtiges Thema dar. Die Landjugend sieht die  traditionell gute agrarische Fachbildung gefährdet. Die Landjugend  möchte mit ihren Forderungen in diesem Positionspapier auf diese Problematik hinweisen  und somit Anregungen für Verbesserungen geben.

Grundlage dieses  Positionspapieres war eine schriftliche und umfassende Umfrage unter über 100  Fachschülern, angehenden Technikern und Meisterschülern in den Bildungsstätten von Rheinland-Pfalz.

Veränderte  Arbeits- und Beschäftigungsstrukturen haben weitreichende Konsequenzen  für das Rollenverständnis und die Anforderungen sowohl bei Arbeitgebern,  als auch bei Arbeitnehmern. Auch die berufliche Fachbildung muss sich  frühzeitig hierauf einstellen und dies praxisnah begleiten. Es fehlen  bereits heute schon im Agrarbereich qualifizierte Fach- und  Führungskräfte. Der Wettbewerb mit anderen Branchen um gutes Personal  wird sich aufgrund der demografischen Veränderungen weiter verschärfen.  Personalgewinnung und –qualifizierung  entwickeln sich immer mehr zu einem zentralen Wettbewerbs- und  Zukunftsfaktor der deutschen und damit auch der rheinland-pfälzischen  Land- und Weinwirtschaft.

Es  gibt keine Zukunft ohne bestens ausgebildeten Nachwuchs! Junge, hoch  motivierte und hoch qualifizierte Fach- und Führungskräfte mit Lust am  Lernen und Weiterbildung sind für eine funktionierende,  einkommenssichernde, nachhaltige und flächendeckende Land- und  Weinwirtschaft unabdingbar. 

Gerade  vor dem Hintergrund des globalen Wettbewerbes, der zunehmenden  Überalterung der Betriebsleiter in Landwirtschaft und Weinbau, des  Strukturwandels, dem extrem hohen bürokratischen Aufwand und des  immensen technischen Fortschritts kommt der beruflichen Fach- und  Weiterbildung eine Schlüsselfunktion zu, die gar nicht hoch genug  eingeschätzt werden kann.

Nicht  zuletzt ist das ehrenamtliche Engagement  für den eigenen  Berufsstand, die Kommunikation  mit der breiten Bevölkerung und eine aktive Öffentlichkeitsarbeit enorm wichtig und  muss auch in der Agrarischen Fachbildung vermittelt werden. Zudem muss in der breiten Bevölkerung ein Grundwissen über Landwirtschaft und Weinbau angestrebt werden, um die Akzeptanz und das Verständnis für die damit verbundenen Abläufe zu erreichen.

 

 2.     Aktuelle Situation

Die Fachschul- und Meisterausbildung in Landwirtschaft und Weinbau ist gefragt.

Seit einem Tief 1994 ist die Anzahl der Ausbildungsverhältnisse in Landwirtschaft und Weinbau wieder deutlich  angestiegen und befindet sich auf einem stabilen Niveau. Diese Auszubildenden drängen nach ihrer Ausbildung zu einem großen Teil auch in die beschriebenen Fach- und Meisterausbildungen. Der Vorteil liegt für die Fachschüler und angehenden Meister  im starken Praxisbezug, der in diesen fachlichen Ausbildungen herrscht.

Aktuell wird der Mangel an qualifizierten Lehrkräften für diesen Bereich immer deutlicher.

Ausscheidende Lehrkräfte werden nicht oder kaum ersetzt. Lehrkräfte aus  der Forschung ohne pädagogische sowie didaktische  Ausbildung werden als Lehrkräfte  eingesetzt und fehlen dann auf der anderen Seite in der Forschung.

Derzeit  wird die Agrarische Fachbildung an folgenden Standorten in  Rheinland-Pfalz angeboten:

DLR Eifel in Bitburg (Landwirtschaft:  Wirtschafter und Techniker), DLR Mosel in Bernkastel-Kues (Weinbau:  Wirtschafter), DLR Westerwald-Osteifel in Montabaur (Landwirtschaft:  Wirtschafter), DLR Rheinhessen-Nahe-Hunsrück in Bad Kreuznach  (Landwirtschaft: Wirtschafter, Techniker, Berufsoberschule; Weinbau:  Wirtschafter, Techniker, Berufsoberschule), DLR  Rheinhessen-Nahe-Hunsrück in Oppenheim (Weinbau: Wirtschafter), DLR  Rheinpfalz (Weinbau: Wirtschafter, Dualer Studiengang Oenologie).

Diese Vielfalt in der Agrarischen Fachbildung ist sehr zu  begrüße

 

3.   Verbesserung und Anpassung der Lehrinhalte in der Fachschul- und Meisterausbildung

Die  Prüfungsordnung der Landwirtschaftsmeister ist von 1991 und muss dringend überarbeitet werden.

Die Fächer BWL und Management stehen in allen Fachbildungsvarianten zu  sehr im Hintergrund. Eine verbesserte und vor allem zeitgemäße Ausbildung in diesem Bereich wäre äußerst wünschenswert.

Viele Fachschüler verfügen nur über geringe mathematische Kenntnisse und es  ist bekannt, dass die Kenntnisse im Bereich Chemie und Biologie noch schlechter ausgeprägt sind. Zudem sollte auch die Fremdsprache Englisch in den Vordergrund gerückt werden um dem globalen Markt Rechnung zu tragen. Hier muss dringend Abhilfe geschaffen werden. Eigentlich müsste dies schon in den allgemeinbildenden Schulen geschehen.

Das  E-Learning wurde von den befragten Fachschülern mehrheitlich als eher negativ bewertet.  Ein weiteres Problem des elektronisch unterstützten Lernens liegt oft in einer mangelhaften Breitbandversorgung im ländlichen Raum, die die Teilnahme an einem E-Learning sehr schwierig, wenn nicht gar unmöglich macht. 

Ein  weiteres Problem ist die Größe der angebotenen Module, die zum Teil  sehr aufgebläht sind. Hier wäre eine bessere Strukturierung sehr hilfreich. Die Module könnten, zumindest in Teilbereichen, schulübergreifend angeboten werden. 

Die Landjugend fordert:
  • Überarbeitung der Prüfungsordnung der Landwirtschaftsmeister
  • Bei den Fächern muss ein Schwerpunkt auf die Fächer BWL und Management gelegt werden
  • Behebung der Defizite in den Bereichen Mathematik, Chemie und Biologie
  • Bessere Ausbildung in der Fremdsprache Englisch
  • E-Learning dosiert einsetzen und auch nur bei Gewährleistung einer guten Breitbandversorgung
  • Bessere Strukturierung der Module

 

 4.     Förderung von Sozial- und Handlungskompetenzen

Die  Anforderungen beruflicher Tätigkeit sind mehr denn je von persönlichen  und sozialen Kompetenzen, wie  Kommunikationsfähigkeit, Teamfähigkeit,  Kritikfähigkeit und mündlicher Ausdrucksfähigkeit geprägt. Sie gehören  zu den Schlüsselkompetenzen im Beruf. Sie sind unabdingbar, um die  Herausforderungen im Arbeitsalltag zügig, zielorientiert  und  spannungsfrei bewältigen zu können.

Die  Ausprägung der Sozial- und Handlungskompetenzen bei den Fachschülern  ist oft defizitär. Hinsichtlich der Sozial- und Handlungskompetenzen  wird zunehmend wichtiger, dass auch gerade zukünftige Betriebsleiter  durch Qualifizierung in diesem Bereich intensiver geschult werden müssen.

Was  bei allen methodischen und inhaltlichen Überlegungen nicht vergessen  werden darf, ist das soziale Miteinander der Schüler mit den Lehrern und  auch umgekehrt sowie die gegenseitige Wertschätzung. Den Schülern muss  Lust am Lernen vermittelt und mehr Verantwortung übertragen werden.

Interkulturelle  Handlungskompetenzen werden immer stärker in einer global agierenden  Land- und Weinwirtschaft gefragt. Diese können beispielsweise bei  längeren berufsbezogenen Auslandsaufenthalten erworben werden. Dies  sollte auch seitens der Fachschulen tatkräftig gefördert und unterstützt  werden.

Junge  Menschen sind auch in der Fachlichen Ausbildungsphase an den Wert  ehrenamtlicher Arbeit heran zu führen. Ehrenamtliches Engagement kann nur funktionieren, wenn es auf Akzeptanz und Unterstützung seitens der  Fachschulen, der Landwirtschaftskammer, aber auch der elterlichen bzw.  Anstellungsbetriebe stößt.

 Die Landjugend fordert:
  • Förderung der persönlichen und sozialen Kompetenzen durch gesonderte Einheiten oder Module
  • Vermittlung von „Lernlust“ und Verantwortungsbewusstsein
  • Sensibilisierung und Förderung ehrenamtlichen Engagements

 

5. Personelle Situation an den Dienstleistungszentren Ländlicher Raum und bei der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz

Das  derzeit größte Problem im Bereich der Fachschul- und Meisterausbildung stellt der überalterte Personalbestand an den Dienstleistungszentren Ländlicher Raum (DLR) aber auch bei der  Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz dar. Insbesondere im Bereich BWL gibt es so gut wie keine Lehrkräfte mehr. Aber auch in anderen Fächern wird der Lehrermangel immer prekärer. Wenn auch zurzeit noch wenig struktureller Unterrichtsausfall herrscht, muss jedoch zukünftig damit  gerechnet werden.

Deutschlandweit werden in den nächsten fünf Jahren 200  Fachlehrer alleine im Bereich Landwirtschaft fehlen. Hinzu kommt noch das bessere finanzielle Angebot an junge Referendare, die nach ihrer Ausbildung in Rheinland-Pfalz öfters in die angrenzenden Bundesländer abwandern. 

 Die Landjugend fordert:
  • Einsparungskonzept im Ausbildungsbereich von 2003 im Rahmen der Agrarverwaltungsreform überdenken
  • Ermöglichung einer nachhaltigen Weiterbildungsstruktur durch systematische Personalentwicklung
  • Strategie zur  Lehrerausbildung und zur Neubesetzung freier Lehrerstellen entwickeln
  • Pädagogische und persönliche Kompetenzen der Lehramtsanwärter stärker in den Mittelpunkt stellen
  • Beibehaltung der Einheit von Beratung und Lehre zur Gewährleistung der Praxisnähe
  • Ausbau der überbetrieblichen Ausbildung in Praxisbetrieben

 

 6.     Standorte und Rahmenbedingungen

Fachschüler und Meisteranwärter haben eine enge Bindung an ihre Betriebe. Aus diesem Grund lehnen wir einen zentralen  Ausbildungsstandort in Rheinland-Pfalz ab.Einfache Fahrwege von mehr als 80 Kilometern sind nicht zuzumuten und  auch ökologisch nicht vertretbar. Eine betriebsnahe Fachausbildung in der Land- und Weinwirtschaft ist sehr wichtig, da nur so regionale Besonderheiten beachtet und auch im Curriculum behandelt werden können. Zudem sollte die  Möglichkeit, die Agrarische Fachbildung in Vollzeit oder Teilzeit zu  absolvieren, erhalten bleiben. Auch eine gute Ausstattung  hinsichtlich  EDV, Labor und Lehrmittel ist für einen guten  Ausbildungserfolg unabdingbar.

  Die Landjugend fordert:
  • Die  bestehenden Standorte müssen erhalten bleiben
  • Erhaltung der Teil- und Vollzeitausbildung
  • Zeitgemäße Ausstattung der Standorte (EDV, Labor und Lehrmittel)

 

 7.     Fazit:

Die  Agrarische Fachbildung muss das Ziel haben, für junge Menschen eine  bestmögliche Basis für die spätere eigenständige Arbeit im Betrieb unter  Markt- und Wettbewerbsbedingungen zu legen. Dafür ist es nötig die Prüfungsordnung zu überarbeiten und Schwerpunkte neu zu setzen.

Den  Fachschülern und Meisteranwärtern muss die Möglichkeit gegeben werden, sich in weitergehenden Bildungsmaßnahmen persönlich gerade auch in im  Bereich der Sozial- und Handlungskompetenzen fortzubilden. Es ist  wichtig, dass auch Betriebsleiter/innen Verständnis für die  Notwendigkeit von Bildungsmaßnahmen haben.  Nur, wenn in die eigene  Qualifizierung ein entsprechend starker Wille und auch die notwendige  Zeit investiert werden, kann eine Bildungsmaßnahme zum Erfolg führen.

Eine nachhaltige Ausbildung  ist nur mit einer ausreichenden Anzahl an Lehrkräften in den einzelnen  Fächern zu erreichen. Hier besteht sehr dringender Handlungsbedarf.

Die vielfältigen Ausbildungsmöglichkeiten im Bezug auf zeitlichen Umfang und Standort sollten erhalten bleiben. Zudem muss eine Ausstattung der Ausbildungsstätten auf neuesten technischen Standards beruhen.